Am 22.2.2023 wurde der Sachstandsbericht des Wissenschaftlichen Dienstes des Deutschen Bundestages mit dem Titel Die Wärmewende in Deutschland – Bedeutung, Ziele und Umsetzbarkeit veröffentlicht.
Der Sachstandsbericht beschäftigt sich mit der Wärmewende in Deutschland. Thematisiert werden in einer ersten Übersicht insbesondere der Rechtsrahmen, politische Bestrebungen auf nationaler Ebene, deren Potential für das Gelingen der Wärmewende sowie mögliche Umsetzungsprobleme.
Als Wärmewende wird die Umstellung des derzeit durch fossile Energieträger dominierten Wärmesektors auf eine klimaneutrale Wärmebereitstellung bezeichnet. Diese soll durch Effizienz- und Einsparungsmaßnahmen, hauptsächlich jedoch durch die vorrangige Nutzung erneuerbarer Energien zur Wärmeerzeugung, vollzogen werden.
Auf den Wärmesektor entfielen im Jahr 2021 56% des nationalen Endenergieverbrauchs. Dabei wird Wärme von den Sektoren Industrie, Haushalte und Gewerbe in verschiedener Form benötigt. Im Industriesektor spielt insbesondere die Prozesswärme eine wichtige Rolle, während im Privatsektor der größte Anteil des Gesamtwärmeverbrauchs auf Raumwärme entfällt.
Auf die Prozesswärme entfiel im Jahr 2021 22%, auf die Raumwärme 28% des nationalen Gesamtenergieverbrauchs. Insgesamt ist der Wärmemarkt für 40% des CO2-Ausstoßes der Bundesrepublik verantwortlich.
Aus diesem Grund ist die Transformation des Wärmemarkts essentiell für das Gelingen der Energiewende.
Laut Internationaler Energieagentur IEA und ihrem Bericht World Energy Outlook 2023 stehen wir in Deutschland mit der Produktion von Ökostrom, hier hauptsächlich aus Wind- und Solaranlagen, recht gut da. Das ist aber nur die eine Seite der Medaille. Die andere Seite, denn nach dem 72. Statistical Review of World Energy des Energy Institute aus London wird in der öffentlichen Energiewende-Debatte der Stromsektor oft mit dem gesamten Primär- oder Endenergiebedarf verwechselt.
In Deutschland haben wir ungefähr einen Ökostrom-Anteil von 55% erreicht. Dabei wird allerdings nicht berücksichtigt, dass der Stromsektor lediglich nur für 20% des Energiebedarfs steht und der Großteil vom Verkehr und der Wärmeproduktion bestimmt wird.
Die Vorsitzende der Hauptgeschäftsführung des Bundesverbands der Energie- und Wasserwirtschaft hat in einem Interview dazu gesagt: „Die Wärmewende ist eine Mammutaufgabe der kommenden Jahre. Anteilig müssen in der laufenden Dekade die Treibhausgas-Minderungen erreicht werden, die zuvor über einen Zeitraum von 30 Jahren realisiert wurden. Um die vor uns liegende Transformation umweltpolitisch, volkswirtschaftlich aber auch sozial bestmöglich zu bewältigen, müssen wir von Beginn an vorhandene Infrastrukturen und Energieträger mitdenken. Nur die sukzessive und ambitionierte Dekarbonisierung aller Energieträger bringt uns zum Ziel.“
Die Maßnahmen zur Transformation der Wärmewende die im oben erwähnten Sachstandsbericht Die Wärmewende in Deutschland – Bedeutung, Ziele und Umsetzbarkeit vorgeschlagen werden, haben fünf Schwerpunkte definiert.
Dazu gehören der Ausbau der Wärmenetze und Fernwärme, die Gebäudesanierung, eine verbesserte kommunale Wärmeplanung, die Nutzung von Abwärme und der Wärmepumpenausbau.
Gerade der letzte Punkt wurde 2023 im Rahmen der Diskussion um das am 1. Januar 2024 in Kraft getretene Heizungsgesetz mit hoher Emotionalität geführt.
In diesem Blog möchte ich mich nicht an der Diskussion um den Einsatz von Wärmepumpen in Wohngebäuden beteiligen. Ich möchte vielmehr den Blick auf Groß-Wärmepumpen lenken und aufzeigen, was wir mit diesen Wärmeerzeugern im Megawatt-Bereich erreichen können.
Einige von Ihnen haben sicherlich die Berichterstattung über den Einbau der weltgrößten Meerwasser-Wärmepumpe im dänischen Esbjerg gelesen. Dabei werden 4.000 Liter Meerwasser pro Sekunde durch meterdicke Rohre in die Anlage gepumpt. 15 Grad Temperatur reichen dann schon aus, um im Innern der Anlage flüssiges CO2 zum Verdampfen zu bringen und damit Wärme zu erzeugen.
Wärme für bis zu 25.000 Haushalte, beziehungsweise 100.000 Menschen, betrieben mit Ökostrom aus dänischen Windkraftanlagen. Das ist Energiewende pur, denn durch den Einsatz dieser Wärmepumpe kann das Kohlekraftwerk im Hafen von Esbjerg demnächst abgeschaltet werden.
Und das Beste kommt zum Schluss: Entwickelt und gebaut wird diese Großwärmepumpe von der in Augsburg sitzenden MAN Energy Solutions.
Eine weitere Großwärmepumpe von MAN kommt im dänischen Aalborg zum Einsatz. Das Fernwärme-Versorgungsunternehmen Aalborg Forsyning hat MAN Energy Solutions beauftragt, ein schlüsselfertiges Wärmeerzeugungssystem mit einer Gesamtheizleistung von 132 MW zu liefern. Dieses System besteht aus drei Wärmepumpen mit einer Leistung von 44 MW pro Einheit. Damit sind sie die größten Wärmepumpeneinheiten weltweit, die jemals in einem Fernheizwerk installiert wurden. Insgesamt liefert die Anlage jährlich rund 550‘000 MWh Wärme und deckt damit fast ein Drittel der Wärmeproduktion in Aalborg ab, der drittgrößten Gemeinde Dänemarks.
Uwe Lauber, CEO von MAN Energy Solutions, sagt: “Wir freuen uns sehr, mit Aalborg Forsyning zusammenzuarbeiten und den Übergang der Stadt von Kohle zu klimafreundlicher Fernwärme zu ermöglichen. Die Wärme- und Kälteerzeugung war bislang in vielerlei Hinsicht ein blinder Fleck der Energiewende. Dieses Großprojekt verdeutlicht, wie erneuerbare Energieträger außerhalb des Stromnetzes genutzt werden können, um Haushalte und Industrie zu beheizen. Eine solche Sektorkopplung ist entscheidend für einen schnellen Fortschritt bei den globalen Bemühungen zur Verringerung der CO2-Emissionen. Besonders stolz bin ich darüber, dass MAN Energy Solutions die Stadt Aalborg auf dem Weg in Richtung Netto-Null unterstützen kann. Gemeinsam setzen wir ein starkes Zeichen, dem andere folgen sollten.”
Die Dänen sind uns in der Transformation der Gesellschaft halt mehr als nur eine Nasenlänge voraus. Wenn auch etwas verspätet, hat man in Deutschland das Potential von Großwärmepumpen erkannt und ist auf den Wärmewende-Zug aufgesprungen.
Am Beispiel von Esbjerg planen die Ostseestädte Flensburg und Kiel ebenfalls den Einsatz von Meerwasserwärmepumpen. In Flensburg etwas kleiner mit „nur“ 30 Megawatt Leistung, aber früher und schon in 2025, in Kiel größer mit 50 Megawatt Leistung und dafür später und dann im Jahr 2028.
So wird der Vorstand für Technik der Kieler Stadtwerke, Jörg Teupen, mit den Worten zitiert: „Mit der Förde vor der Tür haben wir dafür ein riesiges Wärmereservoir, das wir anzapfen können um damit bis zu 15.000 Haushalte zu versorgen.“
Nicht Meer- sondern Flusswasser nutzt die von der Siemens AG entwickelte Flusswasserwärmepumpe, die in Mannheim zum Einsatz kommt und Rheinwasser als Wärmequelle nutzt. Gemeinsam mit der MVV Energie AG / Mannheim entwickelt, steht dieses Leuchtturmprojekt stellvertretend für das MVV-Ziel, die Fernwärme der Stadt Mannheim bis zum Jahr 2030 CO2-neutral zu erzeugen. Dabei wird der Einsatz von Kohle im Großkraftwerk Mannheim (GKM) sukzessive reduziert.
In der ersten Phase werden 3.500 Haushalte mit dieser Öko-Wärme versorgt, was dann schon rund 10.000 to Kohlenstoffdioxid einspart.
„Bis 2030 werden wir unsere Fernwärme in Mannheim und der Region vollständig aus klimafreundlichen Energiequellen erzeugen. Gleichzeitig erweitern wir unser Fernwärmenetz kontinuierlich und verdichten somit vorhandene Fernwärmegebiete. Damit schließen also zusätzliche Haushalte an das bereits vorhandene Netz an. Mit der Inbetriebnahme unserer ersten Flusswärmepumpe zeigen wir einmal mehr, dass die Energiewende bei MVV bereits Realität ist und wir auf dem besten Weg sind, unsere gesteckten Ziele zu erreichen“, betonte Dr. Georg Müller, Vorstandsvorsitzender von MVV Energie AG auf einer Pressekonferenz im Zuge der Inbetriebnahme der Flusswasserwärmepumpe.
So wie der Rhein in Mannheim für die ökologische Wärmewende genutzt wird, ist es in Berlin die Spree. Die BTB Blockheizkraftwerks- Träger- und Betreibergesellschaft mbH Berlin hat am 6. Januar 2023 am Standort des Heizkraftwerks Berlin-Schönwalde die Dekarbonisierungsstrategie vorgestellt. Darin sind zwei neue installierte Flusswasser-Großwärmepumpen Schlüsselelemente und erste Modulbausteine für eine fossilfreie Fernwärmeversorgung Berliner Haushalte.
700 m³ Spreewasser fließen seitdem stündlich durch die zwei Großwärmepumpen des Herstellers Friotherm aus dem bayerischen Weißensberg in der Nähe von Lindau / Bodensee und helfen dabei, bei einer Quellwärmetemperatur von mindestens 8 Grad Celsius eine Vorlauftemperatur von 93 Grad Celsius zu erreichen. Die von den beiden Anlagen erzeugte thermische Leistung von je 3.500 kW ist dabei in der Lage, ein Drittel des Sommerwärmebedarfs der Fernwärmekunden abzudecken.
Der BTB-Geschäftsführer David Weiblein erklärt dazu, dass „gerade in den Sommermonaten, wenn die Stadtspree weniger Zufluss aus der Lausitz erhält und die Wassertemperaturen steigen, kann das durch Wärmeentzug gekühlte und in die Spree rückgeleitete Flusswasser (mindestens 4°C) dazu beitragen, das Ökosystem Fluss zu stabilisieren und Fischsterben wegen Saustoffarmut vermeiden helfen.“
Das hört sich nach einer Win-Win-Situation an. Reduzierung der CO2-Belastung durch eine ökologisch betriebene Flusspumpenanlage und Verbesserung des Ökosystem Fluss.
Da müssten doch eigentlich die Behörden Luftsprünge machen, oder? Tun sich nicht, denn die Genehmigungsverfahren sind aufwendig und langwierig. Herkömmliche Kraftwerke haben für die Kühlung der Kreisläufe Flusswasser genutzt und diese dann eben aufgeheizt. Können die Behörden bei Gas-, Kohle- und Atomkraftwerken dabei auf Erfahrungswerte bestehender Anlagen zurückgreifen, ist ihnen dies bei Großwärmepumpen nicht möglich, denn sie heizen das Wasser nicht auf, sondern kühlen es ab.
Eine weitere Großwärmepumpe, diesmal vom Hersteller Siemens Energy, mit einer Leistung von 8 Megawatt steht am Potsdamer Platz. Energetisch mit Wind- und Solarstrom versorgt Qwark3, so die Produktbezeichnung, die von Vattenfall betriebene Großwärmepumpe rund 12.000 Büros, 1.000 Wohneinheiten und zahlreiche kulturelle Einrichtungen mit Kälte und Wärme.
„Mit der Inbetriebnahme einer neuen Hochtemperatur-Wärmepumpe können wir in Zukunft Wärme, Kälte und Strom umweltfreundlicher miteinander verbinden“, so die beiden Unternehmen in einer gemeinsamen Erklärung aus dem vergangenen Jahr. „Die neue Technologie wandelt Abwärme in ein nutzbares Produkt um, verbessert die Energieeffizienz der Kälteerzeugung und versorgt den Berliner Stadtteil mit grüner Wärme aus erneuerbarem Strom.“
Nicht ganz so groß ist die Flusswasser-Großwärmepumpe der Stadtwerke Lemgo in der Nähe von Bielefeld. Die 1 MW große Anlage nutzt ungefähr 6.000 Stunden jährlich die Umweltwärme der Bega und unterstützt damit das Fernwärmenetz, dass dadurch schon zu 20 % CO2-freie Wärme liefert.
Ein weiteres Mega-Projekt ist eine Großwärmepumpe auf dem Gelände der BASF in Ludwigshafen. Künftig wird der Chemie-Gigant Teile von Ludwigshafen sowie der Kleinstadt Frankenthal mit Fernwärme versorgen. Das Projekt ist eine Kooperation von BASF, den Stadtwerken Frankenthal und den Technischen Werken Ludwigshafen (TWL) und wird rund 18.000 Haushalte mit Fernwärme versorgen.
Genutzt wird dafür das Abwasser der BASF-eigenen Kläranlage. Bislang wurde dies gereinigt und in den Rhein zurückgeleitet. Das Abwasser hat aber ein höheres Temperaturniveau, als der Rhein selbst und hat in der Vergangenheit das Ökosystem des Flusses belastet. Künftig wird das wärmere Abwasser stattdessen in die Wärmepumpe wandern. Da gewinnt die Ökologie gleich zweimal: Besserer Gewässerschutz und ein großer Baustein für die CO2-neutrale Wärmeerzeugung.
In der Projektplanung befindet sich eine Großwärmepumpe für Köln. Diese soll nach Fertigstellung bis zu 50.000 Haushalte in Köln mit Wärme versorgen. Mit einer Leistung von 150 Megawatt liegen die Kosten bei rund 200 Millionen Euro. Auch hier nutzt der spätere Betreiber, die Rheinenergie, das Flusswasser des Rheins und wird mittels Ökostrom das Wasser für die Fernwärme auf 90 bis 100 Grad erhitzen und im Rücklauf abgekühlt in den Rhein zurückführen. Der Startschuss für dieses Projekt soll allerdings erst erteilt werden, wenn die genauen Projektkosten und die Fördersummen geklärt sind.
Schauen wir uns zum Abschluss dieses Blogs die Arbeiten des Forschungszentrums Jülich GmbH an. Gefördert vom Bundesministerium für Wirtschaft und Klima wird hier Forschung für energieoptimierte Gebäude und Quartiere betrieben. Ein Teil dieser Forschungsarbeiten betrifft Großwärmepumpen in deutschen Fernwärmenetzen.
Das Ergebnis der Untersuchungen sind fünf weitere, neue Standorte für Großwärmepumpen. Diese sind in Berlin-Neukölln mit einer thermischen Leistung von 1,3 MW, am Kraftwerk in Stuttgart mit 23 MW, Rosenheim mit 1,5 MW, Berlin-Köpenick mit 1,2 MW und die bereits vorgestellte Anlage der MVV in Mannheim.
Die über das Forschungszentrum Jülich gewonnenen Daten sind unter Berücksichtigung der bestehenden Erzeugerstruktur, der Betrachtung der Infrastruktur der Strom- und Wärmenetze, sowie regionalen Besonderheiten sehr oft auf andere Standorte übertragbar.
Autor: Andreas Kamin
Andreas Kamin ist erfolgreicher Projektentwickler und Prozessoptimierer im Bereich erneuerbarer Energien. In den vielen Jahren seiner Tätigkeit hat er einen Blick entwickelt, über den Tellerrand der Erneuerbaren hinauszuschauen. Und er hat feststellen können, dass alles miteinander zusammenhängt und voneinander abhängig ist, wie Windkraft und Vogelschutz, Landwirtschaft und Biodiversität, Wachstum und Klimaschutz.
Mit seinem Erstlingswerk will er einen Gegenpol setzen zu Fake News, Weltuntergangsvorhersagen und düsteren Umweltwarnungen. Drei Jahre Recherche haben gezeigt, dass es praktische Lösungen für einige der komplexesten Herausforderungen gibt. Damit stellt er herkömmliche Meinungen in Frage und ermutigt seine Leser, anders zu denken.