Interview mit Dr. Christof Schenck zum Thema Arten- und Naturschutz

Dr. Christof Schenck ist Geschäftsführer der Zoologischen Gesellschaft Frankfurt (ZGF) und gilt mittlerweile als renommierter Experte für die Erhaltung von Biodiversität. Die ZGF hat er zu einer international respektierten Naturschutzorganisation ausgebaut, das internationale Netzwerk signifikant vergrößert und das Naturschutzprogramm professionalisiert. Dr. Schenck repräsentiert die ZGF bei wissenschaftlichen Diskussionen, öffentlichen Veranstaltungen und in den Medien.

Als, wie er selbst von sich sagt, berufsbedingter Optimist wird er in einem Interview mit den Worten zitiert: „Der Klimawandel, das Artensterben und die Pandemien stehen in einem Zusammenhang. Es sind alles menschengemachte Krisen. Und wenn Menschen Krisen verursachen, können sie sie auch wieder abmildern“.

2022 wurde Christof Schenck als Handwerker des Naturschutzes mit einer der höchstdotierten Auszeichnungen Europas geehrt, mit dem Deutschen Umweltpreis der Deutschen Bundesstiftung Umwelt. Überreicht wurde ihm dieser Preis vom Bundespräsidenten Frank-Walter Steinmeier, der in seiner Laudatio sagte: „Mehr denn je brauchen wir Menschen, die uns Wege aufzeigen, um Tiere und Pflanzen zu erhalten und die Erderwärmung zu stoppen“.

Ich freue mich, dass er sich Zeit für dieses Interview hat nehmen können und uns einen kleinen Einblick in die Arbeit der ZGF geben wird.

 

Andreas Kamin: Die Zoologische Gesellschaft Frankfurt wurde ja bereits 1858 gegründet. Waren denn damals die Bedrohung der Biodiversität und der Klimawandel schon ein Thema?

 

Dr. Christof Schenck: Nein, das stand damals noch nicht im Fokus. Es lebten auch nur ca. 1,2 Milliarden Menschen auf der Erde, im Vergleich zu heute mit knapp 8 Milliarden Menschen. Aber bereits 1958 hat einer meiner Vorgänger, Bernhard Grzimek, mit der ZGF begonnen, afrikanische Nationalparks finanziell zu fördern, um Natur, Wildnis und Tiere zu schützen. Heute unterstützen wir finanziell und personell 29 Projekte und Programme in 18 Ländern, verteilt auf vier Kontinente. Der Klimawandel hat viele Landstriche und Regionen stark beeinflusst und verändert. Um die Lebensgrundlagen der Menschen und der Tiere gleichermaßen auf lange Sicht zu erhalten, müssen wir dringender denn je die natürlichen Ressourcen schützen. Das ist Teil der Geschichte der Zoologischen Gesellschaft Frankfurt.

 

AK: So wie ich gelesen habe, ist dies nicht nur Teil der Geschichte der ZGF, sondern Grundsatz und Werteorientierung zugleich.

 

CS: Ja, das ist absolut richtig. Wir definieren uns und unsere Mission und Vision dahingehend, dass wir daran arbeiten, eine Welt zu schaffen, in der die Wildtiere und die Wildnis für heutige und zukünftige Generationen geschätzt und nachhaltig geschützt werden. Dazu gehört selbstverständlich auch der respektvolle Umgang mit allen Menschen, ganz gleich welchen Geschlechts, welcher Nationalität, Ethnie, religiösen, sexuellen oder politischen Orientierung sie sind. Ebenso ist der respektvolle und nachhaltige Umgang mit der Natur und mit den Ressourcen die Richtschnur für unser Handeln.

Daraus leiten wir die Grundsätze in der Zusammenarbeit mit unseren Mitgliedern, Spendern und unseren Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern ab. Vertrauen und Verlässlichkeit und eine partnerschaftliche Zusammenarbeit auf Augenhöhe mit lokalen Interessengruppen, NGOs, wissenschaftlichen Instituten und Geberorganisationen sind dafür die Messlatte.

Eines unserer Fundamente dafür ist unsere Unabhängigkeit und unser strategisches, wissenschaftsbasiertes Vorgehen in allen unseren Projekten.

AK: Es ist ja bekannt, dass es viele bedrohte Tierarten gibt. Dazu kommt der Verlust an Wildtierregionen durch wirtschaftliche Eingriffe wie Brandrodungen und Monokulturen. Umso mehr habe ich mich darüber gefreut, dass es auch eine Menge an positiven Nachrichten gibt. Ihr Podcast Nummer 58 mit dem Titel Mutmacher-Geschichten 2023 ist nur ein Beispiel dafür.

 

CS: Dieser Podcast aus Dezember 2023 ist sehr gut angekommen und es hat viel positives Feedback gegeben. Die beiden Macher Marco Dinter und Nils Elbert haben sich da richtig ins Zeug gelegt und tolle, erfolgreiche Projekte besprochen. Wie die beiden zu Beginn des Podcast sagten: „Es gibt ganz viele schlechte Nachrichten von überall auf der Welt. Wir wollten positive Nachrichten bringen, positive Geschichten, uns anschauen, was wir dieses Jahr erreicht haben, was uns tatsächlich weitergebracht hat im Natur- und Artenschutz?

Genau darauf haben wir dann auch mit unserer dritten Ausgabe unseres Gorilla Magazins im Dezember abgezielt, mit 24 positiven Geschichten bis Weihnachten.

AK: Dann sollten wir uns jetzt einmal die Zeit nehmen und uns einige dieser erfolgreichen Projekte genauer anzuschauen. In einer der von Ihnen angesprochen 24 Geschichten ging es um die Rückkehr der Wisente, die in den 1920er Jahren beinahe ausgestorben wären.

 

CS: Glücklicherweise beschloss vor 100 Jahren eine Gruppe europäischer Zoodirektoren und Wissenschaftler den Wisent zu retten. Unter Vorsitz des damaligen Frankfurter Zoodirektors Dr. Kurt Priemel begründeten sie 1923 die Internationale Gesellschaft zur Erhaltung des Wisents und das erste internationale Zuchtbuch für ein Wildtier.

Mittlerweile leben wieder mehr als 7.000 Tiere in der Natur, vor allem in Polen und Belarus. Auch in einigen ZGF-Projektgebieten kommen Wisente vor, zum Beispiel in der ukrainischen Polesie und im Fagaras-Gebirge in Rumänien, wo sie seit einigen Jahren erfolgreich angesiedelt werden.

Hier sind unsere Partner Barbara und Christoph Promberger mit ihrer Organisation, der Foundation Carpathia engagiert, um den Aufbau eines Nationalparks voranzutreiben. Ganz besonders gefreut haben wir uns darüber, dass die beiden 2023 für ihr herausragendes Engagement im Klima- und Naturschutz den wichtigsten Medienpreis Deutschlands, den BAMBI, in der Kategorie „Unsere Erde“ erhalten haben.

 

AK: 2023 war auch für einen Nationalpark in Äthiopien ein besonderes Jahr.

 

CS: Das stimmt. Seit 2004 engagieren wir uns in Äthiopien im Bale-Mountains-Nationalpark.  Im letzten Jahr hat der Bale-Mountains-Nationalpark globale Anerkennung erhalten, in dem er zum UNESCO Weltnaturerbe erklärt wurde. Das freut uns sehr.

AK: Haben Sie denn von Ihren 24 Erfolgsgeschichten aus dem Gorilla Magazin einige, die besonders hervorzuheben sind?

 

CS: Jede dieser Geschichten ist ein Erfolg für sich. Aber schön ist es, wenn man einen Blick zurück in die Geschichte werfen kann und sieht, dass Projekte, die wir vor vielen Jahren mal gefördert hatten, heute Früchte tragen und weiterhin erfolgreich sind. So haben wir bereits 1988 mit der Zoologischen Gesellschaft Frankfurt begonnen, die Arbeit der brasilianischen Associação Mico-Leão-Dourado zu unterstützen. Und zwar bei der Wiederansiedelung der sehr stark gefährdeten Art der Goldgelben Löwenäffchen in den Küstenregenwäldern Brasiliens. In den 1970er Jahren konnten dort nur noch rund 200 Löwenäffchen gezählt werden. Heute hat sich der Bestand deutlich erhöht. Rund 4.800 der kleinen Löwenäffchen huschen wieder durch die Bäume des Küstenregenwalds.

Sehr gut gefällt mir auch der Artikel über die “Frauenpower bei der Hundestaffel” im Heft.

Rangerarbeit war nicht nur in afrikanischen Ländern lange Zeit Männersache. Wir legen bei unseren Projekten großen Wert darauf, Gleichberechtigung zu fördern. So ist es uns gelungen, in Sambia Frauen besser in den Naturschutz zu integrieren, zum Beispiel als Rangerinnen in der Hundestaffel des North-Luangwa-Nationalparks. Die Teams sind seit Jahren erfolgreich dabei, illegale Tierprodukte wie Elefantenfleisch oder Nashornprodukte aufzuspüren.

Joyce Chiluba ist die Chefin der Hundestaffel des North-Luangwa-Nationalparks. Sie war nicht nur die erste Hundeführerin im Nationalpark, sondern sie bildet inzwischen ihre Kollegen aus. „Ich fühle mich ein bisschen als Vorbild“, sagt sie, „denn jetzt wollen junge Frauen auch Hundeführerin werden“.

Der Erfolg besteht für mich nicht nur darin, Frauen den Zugang in eine männerdominierte Arbeitswelt zu verschaffen, sondern besonders darin, dass es uns gelungen ist, die anfänglichen Widerstände in Unterstützung zu wandeln. Die Männer im Dorf verstehen nun, dass Frauen die gleiche Arbeit leisten können, wie sie selbst.

Ein anderer Teil unserer Mission ist es, Kinder schon sehr frühzeitig in den Natur- und Umweltschutz einzubinden. So haben wir in Guyana zum dritten Mal, gemeinsam mit der Schutzgebietsbehörde PAC, mehreren anderen Naturschutzpartnern und lokalen indigenen Gemeinschaften das Schildkrötenfestival ausgerichtet. Die von lokalen Gemeinden geborgenen Schildkrötengelege, die an Flussufern in Gefahr waren, weggespült oder geräubert zu werden, konnten behütet ausgebrütet werden. Bei dem Festival „verwandeln“ sich die Kinder mit selbstgebastelten Masken und Schildkrötenpanzern in Schildkröten. Der Höhepunkt des Festivals ist dann die Entlassung der ausgebrüteten Terekay-Schienenschildkröten in die Freiheit.

Oder nehmen Sie die Silbermedailliengewinnerinnen der jährlichen Wildlife Ranger Challenge. In Uniform und mit einem 22 Kilo schweren Rucksack auf dem Rücken 21 Kilometer durch den Busch zu laufen, ist bewundernswert. Dina Chansa und ihre Kolleginnen konnten mit dieser Aktion Spendengelder für Schutzgebiete in Afrika sammeln und dabei helfen, dass Büffel und Zebras wieder in den Savannen des Nsumbu-Nationalparks in Sambia angesiedelt werden konnten.

 

AK: Herr Dr. Schenck, ich danke Ihnen sehr für diese Einblicke in doch sehr unterschiedliche, aber allesamt sehr positive Projekte. Ich wünsche Ihnen und der Zoologischen Gesellschaft Frankfurt auch für die Zukunft weiterhin viel Erfolg und viele neue Erfolgsmeldungen.

Autor: Andreas Kamin

Andreas Kamin ist erfolgreicher Projektentwickler und Prozessoptimierer im Bereich erneuerbarer Energien. In den vielen Jahren seiner Tätigkeit hat er einen Blick entwickelt, über den Tellerrand der Erneuerbaren hinauszuschauen. Und er hat feststellen können, dass alles miteinander zusammenhängt und voneinander abhängig ist, wie Windkraft und Vogelschutz, Landwirtschaft und Biodiversität, Wachstum und Klimaschutz.

Mit seinem Erstlingswerk will er einen Gegenpol setzen zu Fake News, Weltuntergangsvorhersagen und düsteren Umweltwarnungen. Drei Jahre Recherche haben gezeigt, dass es praktische Lösungen für einige der komplexesten Herausforderungen gibt. Damit stellt er herkömmliche Meinungen in Frage und ermutigt seine Leser, anders zu denken.

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